Mecklenburg-Vorpommern tanzt an2025-04-15T07:31:49+00:00

Aktuell

RÜCKBLICK FACHTAG ZWISCHENSCHRITT – Was bewegt der Tanz?

Bei dem Fachtag ZWISCHENSCHRITT in der Alten Eisengießerei in Stralsund am 7. April 2025 diskutierten insgesamt rund 50 Tanzschaffende, Vertreter*innen aus Politik, Verwaltungen, Verbänden sowie der Förderer aus MV und anderen Bundesländern über die Potentiale des Tanzes und seine Wirkung als gesellschaftlichen Kraftquelle.
Nach einem Videogrußwort durch Bettina Martin, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und einem bewegten Einstieg in den Tag zog das Team von ‚MV tanzt an‘ Bilanz über die sieben Jahre ihrer Aktivitäten im Rahmen des Tanzpakt Stadt Land Bund-Projekts. Im Mittelpunkt standen mit den Festivals, den Produktionsresidenzen, den Klassenzimmerstücken und den Qualifizierungsmaßnahmen die Fragen nach neuen Formaten, der Vernetzung der Tanzschaffenden des Landes sowie das Erschließen neuer Publikumskreise und Orte.

Die anschließende Diskussion im Plenum widmete sich vor allem der Frage, wie die Aktivitäten des Tanzes ein breiteres Publikum erreichen und größere mediale Aufmerksamkeit bekommen könnten. Außerdem wurde erörtert, inwieweit die verschiedenen Formate und Kooperationen von Tanzschaffenden Demokratie stärkend wirken können bzw. wollen, ohne die Kunst zu instrumentalisieren.

Nach der Mittagspause gab Stefan Schmidtke, Geschäftsführer der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz mit seinem Videoimpuls Einblicke in die Entwicklung des Konzepts der Kulturhauptstadt. Mit Blick auf die Einbindung der vielen kommunalen kulturellen Akteur*innen im Rahmen der Europäische Werkstatt für Kultur und Demokratie betonte er die Bedeutung von Partizipation und Bürgerbeteiligung, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Anschließende beschrieb Louise Blöß, Journalistin der Zeitschrift Katapult, wie dramatisch sich der Rechtspopulismus in Mecklenburg-Vorpommern verbreitet hat, rechtsradikale Übergriffe zugenommen haben und rechte Narrative zusehends an Normalität gewinnen – auch bei demokratischen Parteien. Für die dringlich erforderliche Gegenwehr betont sie die Notwendigkeit von Vernetzung, Solidarisierung mit Betroffenen und Penetranz im Widerstand gegen den Rechtsrutsch.

Paulina Fröhlich, Leiterin des Think Tanks ‚Das progressive Zentrum‘,  widmete sich den Gefahren durch die Umdeutung des Demokratiebegriffs durch die Rechtspopulisten und betonte die Bedeutung von breiten Allianzen mit den demokratischen Parteien und der Verteidigung der demokratischen Werte. Dabei sieht sie Kunst und Kultur in einer besonderen Rolle. Sie könnte als Vorbild wirken. Denn die Kunst kann etwas, was andere nicht können: Bilder erzeugen und emotionale Angebote machen, ohne kritische und konstruktive Zweifel ausblenden zu müssen. Paulina Fröhlich sieht die Notwendigkeit, Menschen emotional zu erreichen und meint, dass dies nicht im Widerspruch zu Sachlichkeit stehen muss.

Institutionen Impulse:
https://chemnitz2025.de/ 
https://katapult-magazin.de/de
https://www.progressives-zentrum.org/topic/resiliente-demokratie/

Diese inspirierenden Impulse lieferten die Folie für die anschließende Arbeit in fünf Kleingruppen, die unter dem Motto „Allianzen schmieden“ folgende thematische Schwerpunkte diskutierten:

1.     Künstlerisches Arbeiten in Zeiten der Polarisierung – Politische Bildung mit den Mitteln des Tanzes

Gastgeberin: Dörte Wolter
Vor welchen Herausforderungen stehen Tanzvermittler*innen aktuell in den Städten und ländlichen Regionen in MV? Welche Strukturen und Allianzen braucht es für eine diverse, inklusive und kreative Tanzvermittlung? Verstehen wir uns als Akteur*innen der politischen Bildung? Und wie kann Tanz zur politischen Bildung werden bzw. beitragen?
In der Kleingruppe bestand Einigkeit darüber, dass Tanz aufgrund seiner Körperlichkeit und des Miteinanders stets eine politische Dimension innehat. Anhand konkreter Beispiele teilte die Gruppe Erfahrungen aus der Tanzvermittlung, thematisierte Entwicklungen bezüglich Körperbewusstsein und Selbstwirksamkeit junger tanzender Menschen, aber auch die Notwendigkeit relaxter Formate in der Tanzrezeption. Um einen stärkeren Beitrag in der politischen Bildung leisten zu können, braucht es Raum für Austausch – denn wenn wir jungen Menschen vermitteln über Tanz zu sprechen, lernen sie gleichzeitig für sich selbst zu sprechen.

2.     Politiker*innen bewegen

Gastgeberin: Sabine Gehm
Wie können wir der Bedeutung des Tanzes und seinem gemeinschaftsstiftenden Potential mehr Gehör und Sichtbarkeit gegenüber der Politik verschaffen und eine produktive Lobbyarbeit für den Tanz betreiben?
Für die Bearbeitung dieser Frage entwickelt die Runde konkrete Vorschläge: Hartnäckig emotional und sachorientierte Überzeugungsarbeit leisten, Kontinuität im Kontakt mit Land/Kreis und Kommune, Kommunikation mit den Politiker*innen aufbauen durch Einladungen zu Veranstaltungen (auch hinter den Kulissen), persönliche Gespräche, Beteiligung an Ausschüssen, Initiative von parlamentarischen Abenden, Entwicklung von Strategiepapieren und visuellem Material zum Thema Tanzschaffen.

3.     Auf den Schultern der Tanzkunst

Gastgeber: Stefan Hahn
In welchem Verhältnis stehen künstlerische Freiheit und Verantwortung in Zeiten der Polarisierung? Wie können Tanzschaffende mit ihrer Arbeit gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und gleichzeitig die Freiheit der Kunst bewahren?
Ausgehend von diesen Fragen diskutierten die Teilnehmenden das politische Potential des Tanzes und die Erfordernisse, die es braucht. Der Tanz bietet solidarische Netzwerke als Basis für Zugänglichkeit, Teilhabe und schafft Jobangebote. Gleichzeitig sollten die Tanzschaffenden die politische Wirkmacht und ihren Beitrag zur Stärkung von Demokratie besser kommunizieren, denn der Tanz vermittelt immanent Werte für das Leben wie Solidarität, Toleranz und Respekt. Voraussetzung für die Arbeit sind jedoch langfristige Verträge, die die Kulturförderung sichern. Die wiederum braucht das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Kulturschaffenden. Allerdings wurde auch der Anspruch formuliert, dass die Tanzschaffenden ihre formulierten Werte auch einlösen und immer wieder eigene „Bubble“ verlassen sollten.

4.     Hand in Hand mit Förderern und der Kulturverwaltung – künstlerische Freiheit schützen

Gastgeberin: Jessica Buchholz
Welchen Spielraum hat die Verwaltung in der Auseinandersetzung über die Wahrung der Kunstfreiheit? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Kunstschaffenden und Verwaltung/ Förderern verbessert werden? Wie könnte ressortübergreifend gearbeitet werden?
Lösungsorientiert ging es hier darum, die Resilienz von Tanzschaffenden durch den Ausbau/die Neuentwicklung von Allianzen zu stärken.
Das heißt: Behördenressortübergreifend zu arbeiten, z.B. zwischen Bildung und Kultur. Gemeinsame Anknüpfungspunkte wären dabei: Sport, Gesundheit, Jugend. Es sollten auch zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen werden z.B. durch die Zusammenarbeit mit Clubs, Fußballvereinen oder der freiwilligen Feuerwehr.  Dafür braucht es die adressatenbezogene, emotionale Ansprache und kontinuierliche Pflege der Kommunikation. Voraussetzung für diese Arbeit sind: langfristige Fördervereinbarungen durch eigene Haushaltstitel sowie gegenseitige Fortbildung und Transparenz.

5.     Allianzen schmieden mit Organisationen der Zivilgesellschaft

Gastgeber: Martin Stiefermann
Wie können Tanzkünstler*innen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten und sich gemeinsam für den Erhalt von Demokratie und Vielfalt stark machen?
Vor diesem Hintergrund wurde die Frage diskutiert, was zum Gelingen von Allianzen beitragen kann und was sie verhindern bzw. verändern sollen.
Um Allianzen zu ermöglichen, braucht es das Auffinden gemeinsamer Schnittstellen und eine Arbeit auf Augenhöhe zwischen den Beteiligten.
Allianzen zu schmieden braucht Zeit zur Entwicklung, können aber auch temporär begrenzt sein. Daraus ergab sich die Frage, ob die bestehenden Förderlogiken eher hilfreich oder eher hinderlich sind.

Am Ende berichteten Vertreter*innen aus den Arbeitsgruppen und stellten ihre wichtigsten Ergebnisse und Handlungsstrategien vor, wie sich der Tanz stärken und sichtbarer machen lässt.

Eine Veranstaltung von MV tanzt an in Kooperation mit der Fachstelle Tanz MV.
Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten MV
MV tanzt an / Bilanz – in Kooperation mit dem DTD im Rahmen des kulturpolitischen Dialogs von TANZPAKT Stadt – Land – Bund
Allianzen schmieden – im Rahmen des bundesweiten Vorhabens Tanzallianzen, gefördert vom Fonds Darstellende Künste

Who am I?

Klassenzimmerstück Tanz ab Klasse 9 

Ab 15 Jahre

Ein neues Tanzproduktion über Lust und Frust, Wut und Mut und wie unsere Gedanken, Gefühle und unser Körper auf Zwänge, Vorurteile und Normen prallen. Ausgehend von der Lebensgeschichte des ungarischen Tänzers György Jellinek taucht das Publikum ein in eine queere Lebenswelt, die nicht frei ist von Intoleranz und Gewalt.

Choreografie: Stefan Hahn / Tanz: György Jellinek / Sounddesign: Felix ‚Fifi‘ Nicholson / Stimme: Lana Harris / Ausstattung: Judith Förster / Lichtdesign: Felix Grimm

Buchungen: klassenzimmer@mv-tanzt-an.de

MECKLENBURG-VORPOMMERN TANZT AN ist eine Gemeinschaftsinitiative von Perform[d]ance, schloss bröllin und dem Theater Vorpommern. Gefördert von TANZPAKT Stadt-Land-Bund aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und unterstützt durch die Hansestadt Greifswald.